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RE: Vergleich DDR-BRD aus heutiger Sicht!

#136 von WELLO , 05.04.2008 23:34

Zitat von tommes
@Mutterheimat:

Wie war es denn damals nach der Kapitulation? Was hast Du in dem Moment gedacht, als die Mauer gebaut wurde? Ich würde gern so alt sein, wie Du!

thomas


Hallo Tommes,

also bis zur Kapitulation habe ich keine Erinnerungen mehr, aber an so Geschichten wie den 17. Juni 1953 oder natürlich an den Mauerbau erinnere ich mich noch lebhaft.
Die Zeit ab Juli 1961 war ein permanenter Ausnahmezustand - ich wohnte ja in der Nähe von Berlin und wir registrierten jede Veränderung. Schon ab Jahresanfang lagerten sie Stacheldrahtrollen und Betonpfähle an der Berliner Stadtgrenze, ich machte mir meinen Reim drauf: damit wollen sie die Grenze abriegeln, die damals noch durchlässig war. Fernsehen spielte noch keine große Rolle, dafür der Hörfunk umso mehr. Der Sender RIAS wurde auf der Mittelwelle permanent gestört, dazu wurden ca. 250 Störsender in der ganzen DDR errichtet. Der RIAS berichtete über Einzelheiten im Osten, die im offiziellen DDR - Rundfunk nie zu hören waren - das ärgerte die SED - Bonzen maßlos. Er wurde ständig als "Hetzsender" diffamiert, aber die SEDisten hörten ihn natürlich selbst auf den ungestörten UKW - Frequenzen...

Die Mauer sollte natürlich den Flüchtlingsstrom eindämmen, der in dieser Zeit, ähnlich wie wieder 1989, Rekordausmaße annahm. Jeden Tag machten sich zwischen 5000 bis 10000 ! Menschen auf die Socken - nicht, weil sie der "Klassenfeind" abwarb, oder "Menschenhändler" und "Kopfjäger" (...wie in Zentralafrika vor 500 Jahren...!) am Werk waren, die arme unschuldige DDR - Bürger zur Flucht verleiteten, sondern weil diese "die Schnauze voll" hatten von der DDR - Wirklichkeit. Die SED wusste das genau, aber das hielt sie nicht davon ab, ständig so einen Blödsinn wie oben zu verbreiten. In deren primitiven Propaganda war der Sozialismus ständig am Siegen, bewies täglich seine "Überlegenheit" - und derweil bröckelten die Fassaden, in den Geschäften war immer alles knapp oder "gab es" erst gar nicht - nicht angebotene Waren kauften wir uns in West - Berlin, es waren so einfache Dinge wie Margarine, Packpapier, Nägel oder Bücklinge... und wer sich kritisch über diese Zustände äußerte, landete im Stasi - Knast. Diktatur des Proletariats - ganz handgreiflich!

Zeitungen aus dem "Westen" waren im Osten nicht zu kaufen, man musste sie über die Grenze schmuggeln. Aber das galt nur für das gemeine Volk - im Osten sollten sie ja alle gleich sein, aber es gab Leute, die waren "gleicher" als die anderen, für die galt das alles nicht. Sie hatten über die Firma "HO - Spezialwaren" Zugriff auf ansonsten nicht verfügbare Waren incl. Zeitungen und Autos; oder sie konnten selbst in West - Berlin einkaufen - allen voran der "Oberklassenfeind" Carl-Eduard von Schnitzler, der sich über den ach so bösen "Kapitalismus" im Westen im DDR - Fernsehen abgiftete ("der schwarze Kanal").
Es gab aber auch Schlaumeier, die es verstanden, sich diese künstlich geschaffene Ost-West - Situation zunutze zu machen: sie kauften im Osten heruntersubventionierte Ware, verkauften sie gegen "Westmark" in West-Berlin, tauschten den Erlös wieder in Ostmark um und bekamen dann den vier- bis fünffachen Nominalwert. Wenn sie dieses Spielchen oft genug wiederholten, konnten sie sich bald zur Ruhe setzen...

Zu der Zeit waren die Telefonverbindungen zwischen Ost- und West - Berlin längst gekappt - "wer hat's erfunden"? - natürlich die SED! Immer irgendwas einzuschränken oder zu verbieten - darin waren sie Meister. Seit Juli 1952 durften zum Beispiel die West - Berliner nicht mehr ins Umland fahren. (Auf Kuba ist es mit derartigen Verboten bis heute noch so - man wundert sich, was plötzlich wieder zugelassen wird, z. B. Handy - Besitz - natürlich war er bisher verboten...)

Der größte Unsinn ist bis heute, diese Mauer als "antifaschistischen Schutzwall" zu bezeichnen! Faschisten gab es unter Mussolini in Italien; in Deutschland hießen diese Brüder "National - Sozialisten"; die wurden 1945 besiegt und abgeurteilt in Nürnberg.
Die Mauer hingegen sollte den Flüchtlingsstrom eindämmen und damit die Macht der SED sichern. Jeder wusste das und weiß es bis heute - Täter und Opfer gleichermaßen.


Es hat eigentlich viel zu lange gedauert, bis sich dieser Laden von selbst totlief.

Jetzt ist dieser Beitrag wieder mal viel zu lang geworden - sorry!

Gruß Wello

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RE: Vergleich DDR-BRD aus heutiger Sicht!

#137 von lutzi , 06.04.2008 00:08

hallo leute,
ich gebs mal zu ich hab die komentare der letzten woche mal nur überflogen und bin überrascht was doch so ein vergleich ddr-brd für blüten trägt. an mutterheimat..., du solltest ne diskussion aufmachen der nationalsozialismus -gestern und heute,vielleicht kommen dann enn paar leute die mit dir über ausländerfragen reden wollen näher oder auch nicht..
zum untergang der su-naja eigentlich trägt da doch wohl eher lenin die schuld und nicht gorbi oder jelzin, der hat sie ja schliesslich gegründet-gut gemeint aber schlecht gemacht, dann kam lange nüscht und heute haben wir putin-mal ehrlich,iss ja och nicht so toll-grins
ehe ich mich hier verrenne les ich mal lieber die ganzen beiträge nochmal. anbei enn kurzer witz...
die ddr war einen schritt vorm abgrund...
heute sind wir einen schritt weiter


hezlichst euer lutzi

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RE: Vergleich DDR-BRD aus heutiger Sicht!

#138 von mutterheimat , 06.04.2008 01:00

Hallo Wello!
In dieser Richtung war eigentlich die Überschrift gedacht. Manches passt da nicht rein, was hier steht. Deswegen steht auch manchmal die Aufforderung, etwas zum Thema beizutragen und nicht sich über "Hinz und Kunz" zu unterhalten.

Hallo Lutzi!
Von den Leuten hier unten (reichlich Spätaussiedler), gibt es keinen älteren, welcher sich nicht einen Breshnew zurückwünscht. Aber es gibt eine übereinstimmende Meinung der Spätaussiedler und der Einheimischen in der ehemaligen UdSSR, zum Thema Gorbatschow+Jelzin. Das wir DDR+BRD gesamt Leute, es schlecht, bis nicht, verstehen können, ist dabei völlig normal. Ich kann das nachvollziehen.


Es ist immer besser, etwas aus originalen Quellen zu erfahren, als aus ganz besonders "klugen Köpfen".

 
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RE: Vergleich DDR-BRD aus heutiger Sicht!

#139 von lutzi , 06.04.2008 02:19

ähm tut mir leid das ich durch meine arbeit häufig mit sogenannten spätaüssiedlérn zusammenkomme aber ich hab noch von keinem gehört das er oder sie nun ausgerechnet breshnew wieder wünscht- weil entweder wollen die die totale befriedigtung(lenin) oder enn bisschen was davon(gorbi) aber dazwischen wollen die eigentlic nüscht-und ich denk wir können vieles von dem verstehen nur wollen wollen wir das nicht!

lutzi  
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RE: Vergleich DDR-BRD aus heutiger Sicht!

#140 von Schlawine , 06.04.2008 09:52

Hallo Wello,
dein Beitrag ist überhaupt nicht zu lang, sondern sehr interessant.Ich habe mein Wissen aus dieser Zeit aus den Medien und der Schule.Meine Familie hat nie darüber sprechen wollen.("Ist doch schon lange her.")
Also, danke dass du dir die Zeit genommen hast so ausführlich zu antworten.

Liebe Grüße


Schlawine

 
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RE: Vergleich DDR-BRD aus heutiger Sicht!

#141 von mutterheimat , 06.04.2008 11:28

Zitat von lutzi
ähm tut mir leid das ich durch meine arbeit häufig mit sogenannten spätaüssiedlérn zusammenkomme aber ich hab noch von keinem gehört das er oder sie nun ausgerechnet breshnew wieder wünscht- weil entweder wollen die die totale befriedigtung(lenin) oder enn bisschen was davon(gorbi) aber dazwischen wollen die eigentlic nüscht-und ich denk wir können vieles von dem verstehen nur wollen wollen wir das nicht!

Gut, ich verbessere etwas meinen Artikel. Sie wollen die Zeit, in der Breshnew "Preisklasse", zurück.


Es ist immer besser, etwas aus originalen Quellen zu erfahren, als aus ganz besonders "klugen Köpfen".

 
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RE: Vergleich DDR-BRD aus heutiger Sicht!

#142 von WELLO , 06.04.2008 17:07

Zitat von Schlawine
Hallo Wello,
dein Beitrag ist überhaupt nicht zu lang, sondern sehr interessant.Ich habe mein Wissen aus dieser Zeit aus den Medien und der Schule.Meine Familie hat nie darüber sprechen wollen.("Ist doch schon lange her.")
Also, danke dass du dir die Zeit genommen hast so ausführlich zu antworten.

Liebe Grüße


Hallo Schlawine,
schön, dass meine Schilderung so auf Dein Interesse trifft!
Ich hab' das alles hautnah erlebt, inzwischen ist die Zeit darüber hin, und auf einmal ist es aus der Gegenwart in die Erinnerung gewandert...

12 h bevor der "Eiserne Vorhang" in Berlin 'runterrasselte, hab' ich noch die Kurve gekriegt - und konnte erst mal bei Verwandten in West - Berlin wohnen. Auch in West - Berlin herrschte, nachdem die Grenze dicht war, noch wochenlanger Ausnahmezustand. Und eine tolle Solidarität der West - Berliner mit den Flüchtlingen! Wir saßen damals alle in demselben Boot.

Im September 1961 bin ich mit dem Fahrrad in Berlin-Frohnau an die Grenze zu Glienicke gefahren, an der B 96, da war noch keine Mauer, nur eine rostige Absperrung. Auf der Ostseite ein paar VoPos und auch einige Leute dahinter. Plötzlich erkannte mich einer von den Leuten als ehemaligen Schulkameraden - er brüllte über den Zaun: "...du hast unseren Staat verraten!" Ich brüllte zurück: "Dieser Staat hat uns verraten!" Ich hatte auch die explosive Stimmung in der Bernauer Str. miterlebt - viele Berliner buhten die Bauarbeiter aus, die dabei waren, die Mauer aufzubauen. Es hätte nicht viel gefehlt, und die Menge hätte sie wieder eingerissen! West - Berliner Polizisten haben versucht, die Leute zu beruhigen...

Ich hatte seinerzeit mit vielen Leuten gesprochen, die auf abenteuerlichsten Wegen in den Tagen nach der Grenzschließung ebenfalls noch die "Kurve gekriegt" hatten - manche sind durch die Spree geschwommen, kamen nass wie die Katzen an, nur mit dem, was sie auf dem Leib hatten - und alle Angehörigen ließen sie zurück. Andere sind über irgendwelche Zäune geklettert oder haben sich bis zur Grenze irgendwie durchgetrixt. Und viele andere waren gerade in den Ferien, wurden von den Ereignissen überrascht und kamen zu spät...

28 Jahre später war ich zufällig am 9. November in Berlin und ahnte nix...! Mein Kundenbesuch war schneller zuende als geplant, also flog ich mit einem früheren Flieger nach Hause, jetzt in den Rheingau. Mit einem Lufthansa - Ticket (Air Berlin), damals noch eine Rarität, die PanAm hatte ja seinerzeit das Berlin - Anflug - Monopol. Gegen 19:10 Uhr sehe ich im ZDF den Herrn Schabowski, wie er verkündete: "...ähm, soweit ich weiß, gilt das sofort..." Der Alptraum "Mauer" - und nicht nur der - ging vorbei.

Aus dem off klingt noch Ulbrichts Fistelstimme: " Niiemond hod die Obbsischt, eine Mäür zu bäüen..."
Oder ein gewisser E. H.: "...den Sozialismus in seinem Lauf halten weder Ochs noch Esel auf!" Die lieben Tiere taten gut daran, bei diesem Vorgang zur Seite zu treten - bei einer 45° - Schieflage hatten erst Gorbi, dann die DDR - Bürger die Bremsen beseitigt, und die abwärts gerichtete Rollbewegung beschleunigte sich unerbittlich... E. H. sollte recht behalten...

Gruß Wello


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RE: Vergleich DDR-BRD aus heutiger Sicht!

#143 von mutterheimat , 06.04.2008 17:19

Mann Wello, hast du noch mehr zum erzählen, aus der Zeit. Ist echt interessant. Genau zu dem Zeitpunkt, als die Mauer fiel, hielt ich meinen Resibefehl in der Hand. Die Panzer standen bereit (Ich gehörte dazu), russische Sturmeinheiten + NVA ebenfalls. Alle warteten auf den Befehl aus Moskau. Und jetzt stellt man sich mal, anstelle des Namens Gorbatschow, den Namen Stalin Nr.2, vor. Wie heißt das Ergebnis? Wello, erzähl mal weiter.


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RE: Vergleich DDR-BRD aus heutiger Sicht!

#144 von WELLO , 06.04.2008 17:53

Zitat von mutterheimat
Mann Wello, hast du noch mehr zum erzählen, aus der Zeit. Ist echt interessant. Genau zu dem Zeitpunkt, als die Mauer fiel, hielt ich meinen Resibefehl in der Hand. Die Panzer standen bereit (Ich gehörte dazu), russische Sturmeinheiten + NVA ebenfalls. Alle warteten auf den Befehl aus Moskau. Und jetzt stellt man sich mal, anstelle des Namens Gorbatschow, den Namen Stalin Nr.2, vor. Wie heißt das Ergebnis? Wello, erzähl mal weiter.


Hallo Mutterheimat,
das wird jetzt auch für mich richtig interessant, mal diese Seite zu hören!

Aber erst mal vorneweg: Ohne die Vorarbeit von Solidarnosc und Gorbi - strenggenommen ging das ja schon bei Chrustschow los, mit seinen zunächst geheimgehaltenen Enthüllungen der stalinistischen Exzesse auf dem ?? Parteitag 1956 - wäre es auch in der DDR nicht an diesen Punkt (s.o.) gekommen.
Aber Du hast schon recht - denk' mal an die Kubakrise 1962 - es hätte nicht viel gefehlt, und all' diese Einträge hier hätten niemals sein können, weil sich die Menschheit damals in einem Atominferno von diesem Planeten verabschiedet hätte. Vor kurzem haben einige Beteiligte sich mal über bisher nicht bekannte Einzelheiten dazu ausgelassen - wir alle standen näher am Abgrund, als wir je ahnten...
So ähnlich wäre es vermutlich auch '89 ausgegangen...
Ich stell' mir vor, unfreiwillig zu Deiner Truppe gehört zu haben - muss ein Scheißgefühl sein, einen Befehl zu erwarten, auf die eigenen Leute zu schießen... Ich denke mal, wir alle können froh sein, dass dieser Alptraum vorbei ist!

Und nun kann man auch verstehen, weswegen viele Leute in Deutschland Gorbi so schätzen. In Russland verbindet man mit ihm allerdings ganz anderes Sachen - Niedergang, Mafia etc.; ist auch nicht ganz falsch. Aber es ist nicht der Kern der Wahrheit. An diesem Ding drehen ja in Russland viele Leute, aus wohlkalkuliertem Eigennutz. Aber eigentlich ist das wieder 'ne andere Geschichte.

Gruß Wello

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RE: Vergleich DDR-BRD aus heutiger Sicht!

#145 von Banaus , 06.04.2008 20:38

@Mutterheimat:
Daß die Panzer bereitstanden, kann ich (damals aktiver Unterfeldwebel) nicht bestätigen, was aber daran liegt, daß wir in unser 150-Mann-Kneipe keine hatten. Wir hörten so allerlei aus anderen Truppenteilen - nicht umsonst waren wir eine Nachrichteneinheit - z.B., daß das Wachregiment Feliks Dzierzynski an Schlagstöcken ausgebildet wurde.
Bei uns meuterten die Resis, die ja alle im Umkreis von 10km zuhause waren: Sie verfaßten einen Brief an unseren KC mit dem Wortlaut "Wir schlagen unsere Frauen und Kinder nicht!" und der Information, daß die Unterzeichner beim Einsatz gegen die Zivilbevölkerung umgehend desertieren würden. Beim Stubendurchgang fand ich den Brief. Was tun? Die Soldaten hatten alle unterschrieben! Ich konfiszierte den Brief erstmal. Ich wollte ja noch was werden und hatte mich deshalb für drei Jahre verpflichtet!
Zurück auf dem Uffz.- Flur gab es ein Hallo, als ich mit dem Schriftstück auftauchte. Im Tumult war mir der Brief abhandengekommen, doch als ich am nächsten Morgen zum Appell Meldung machte, reichte man mir den Brief wieder. Ein Blick - es fehlten zwei Unterschriften: Die des uns allen bekannten IM und meine. Ich zückte während meiner Meldung den Kuli und übergab dem immer blasser werdenden Kompaniechef das Schreiben, der es mit den Worten "Jungs, geht auf eure Zimmer!" entgegennahm und in seinem Dienstzimmer verschwand. Heiße Geschichte - was wird passieren?

Nichts. Ich nehme an, er hat den übergeordneten Stellen den Fall geschildert und die sahen ihre Felle davonschwimmen. Jedenfalls hat während meiner Dienstzeit nie wieder jemand davon gesprochen.




SIMSON
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RE: Vergleich DDR-BRD aus heutiger Sicht!

#146 von Schlawine , 06.04.2008 20:50

Leute, bitte erzählt weiter.Es ist so interessant mal Informationen von "Dabei gewesenen" zu lesen.

Danke.


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RE: Vergleich DDR-BRD aus heutiger Sicht!

#147 von WELLO , 06.04.2008 22:44

Zitat von Schlawine
Leute, bitte erzählt weiter.Es ist so interessant mal Informationen von "Dabei gewesenen" zu lesen.

Danke.


@Schlawine, hier bin ich nochmal:
Zur Situation vor'm Mauerbau: 1960 zog die SED die Zwangskollektivierung der Bauern durch, was heute längst schon wieder Historie ist.

Bei uns im Haus wohnte einer, der arbeitete beim "VEAB", einer Erfassungsstelle für landwirtschaftliche Produkte, und nahm dort die Ablieferungen der Bauern entgegen und kannte natürlich viele von ihnen. Er berichtete uns jeden Tag, was ihm die Bauern so erzählten. In den Wochen der Zwangskollektivierung gingen - ihrerseits zwangsrekrutierte - "Werberkolonnen" systematisch von Nord nach Süd vor, um die Bauern in die LPGs (=Landwirtschaftliche Produktionsgenossenschaften) reinzutreiben. Sie traten auf wie eine Mischung von Zeugen Jehovas, Staubsaugervertretern und Polizeisonderkommando, umstellten mit ihren Fahrzeugen das Gehöft, drangen in die Wohnung ein und bearbeiteten die Bauern so lange, bis sie den LPG - Vertrag unterschrieben. Manchmal dauerte das tagelang; die Bauern wurden manchmal pausenlos von draußen beschallt, auch nachts, die hatten sich dann verbarrikadiert. Sehr viele rückten in Richtung Westen ab, so auch Verwandtschaft von uns aus Mecklenburg. Manche schlachteten ihr gesamtes Vieh ab und begingen kollektiven Selbstmord. Viele unterschrieben auch nur deswegen, um endlich Ruhe zu haben.
Ein Schulfreund, zu dem ich heute wieder Kontakt habe, berichtete mir dieselben Dinge von der anderen Seite und hat sie damit miutiös bestätigt. Sein Vater war Richter, SED-Mitglied und wurde in solch ein "Werberkolonne" abkommandiert. Diktatur des Proletariats!
Auf dem früheren Grenzbahnhof Hohen Neuendorf an der S-Bahn-Linie nach Berlin hatten die Grenzer leichtes Spiel, die fluchtwilligen Bauern auszusortieren - die machten sich "stadtfein", zogen ihr weißes Hemd an, 'ne schwarze Jacke, einen viel zu kleinen schwarzen Hut; meistens passte ihnen das alles nicht, die Mode war von vorgestern... Sie taten uns immer leid, wenn ihnen die Grenzer die Ausweise abgenommen hatten, sie hilflos über den Bahnhof irrten und nicht so recht wussten, wie es jetzt weitergehen sollte...
Kurz vor der Grenzschließung 1961 wurden plötzlich die Grenzer um das Zehnfache auf diesen Bahnhöfen aufgestockt, die räumten alle S-Bahnzüge fast völlig leer. Uns kannten sie schon als Grenzlandbewohner und ließen uns meistens durch. Einmal kam ich auch in so eine Kontrolle, fand mich in einem Kabuff wieder, das sich von innen nicht mehr öffnen ließ. Sie fanden zum Glück nix und ließen mich wieder laufen.

Eine Geschichte von diesem Grenzbahnhof wurde im ganzen Landkreis erzählt: eine sehr grimmige Kontrolleuse vom Zoll hatte es speziell auf Rentnerinnen abgesehen, die ihre Verwandten in West - Berlin besuchten und von denen Kaffee oder Schokolade als Mitbringsel nach Hause brachten. Die Kontrolleuse nahm ihnen diese Dinge unerbittlich ab - und futterte die Schokolade selbst! Das sprach sich bei vielen Leuten herum. Eines schönen Tages nach der Kontrolle in Richtung Berlin hielt ein Trupp Arbeiter diese Tante fest und prügelte sie grün und blau, bis zur nächsten Station Berlin-Frohnau. Von dort durfte sie dann wieder zurückfahren - und wurde sehr bald vom Dienst suspendiert...

Ich gucke auf die Überschrift von diesem Forum: im Vergleich früher zu heute bleibt es leider schief: im Westen hatte solche Dinge nie gegeben, insofern kann man keinen Vergleich anstellen. Aber diese Schieflage spricht für sich...

Gruß Wello

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RE: Vergleich DDR-BRD aus heutiger Sicht!

#148 von Schlawine , 07.04.2008 15:00

Hallo Wello,
wurde mit den selbständigen Geschäftsleuten auch so kompromisslos umgegangen ?

Liebe Grüße


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RE: Vergleich DDR-BRD aus heutiger Sicht!

#149 von mutterheimat , 07.04.2008 18:42

Als ich meinen letzten, regulären, Urlaub bekam (Frühjahr 1989), der ganze Haufen mußte antreten, (komplette Panzerkompanie), wurde uns allen etwas klar und eindeutig gesagt. Es gibt draußen Konterrevolutionäre, es gibt leichten Ärger, der Westen hetzt, etc. Und es wurde noch etwas gesagt. Genossen, sie haben einen Eid geschworen. Wir werden diesen Eid mit aller Schärfe und Härte durchsetzen. In unserem Truppenteil gibt es keine Konterrevolution. Nun will ich das einmal übersetzen. Die PD 7, zu der ich gehörte, besaß das PR 14 Spremberg, PR 15 Cottbus, PR 16 Großenhain. Dazu kamen die Pioniere aus Pirna, die Mot. Schützen aus Marienberg und noch ein ganzer Schwarm anderer Truppenteile. Ich will mal sagen, alles, ab Oberstleutnant, gehörte zum harten Kern des Generalstabes in Strausberg. Gleich um die Ecke, Berlin Karlshorst (Generalstab der GSSD). Als ich endlich entlassen wurde, Ende April, stellte ich fest, daß es deutlich mehr GAI auf den Staßen gab. Das heißt, Desertationen, von Soldaten der GSSD zu unterbinden. Weiter vorn findet man die Übersetzung und die Mittel, welche die GAI anwand. Amerikanische MP, oder Bundeswehr Polizei, ist ein Witz dagegen. Bis zu dem berühmten Tag, in der Prager Botschaft, spitzte sich die Situation immer mehr zu. Im zivielen Leben merkte man es deutlich, erst recht in den Reihen der NVA. Es "stank" immer mehr. Die Ausreiseanträge nahmen immer mehr zu. Als dann der Satz seitens Genscher fiel: Wir sind heute hierhergekommen, um Ihnen mitzuteilen, daß heute Ihre Ausreise.......! Das war der Auftakt"befehl", welcher das Fass zum überlaufen brachte, (Dresdner Hauptbahnhof, weiter vorn nachzulesen). Dort zeigte der Staat seine Krallen. Alles andere , in größeren Dimensionen, basierte auf diesem Ereignis. Montagdemo in Leipzig, etc. Ab diesem Zeitpunkt kommt dann der Text von Banaus hinein. Es begann, mehr oder weniger, die NVA zu bröckeln. Das Problem war immer noch die GSSD. Denn die hatten mehr Angst vor ihren Offizieren, als vor irgendeinem Feind. Und nun kommt der Vergleich ins Spiel. Tauscht man den Namen Gorbatschow, gegen den Namen Stalin Nr.2 aus, hätte es geraucht. Ausschließlich Gorbi ist es zu verdanken, das es keinen Einsatzbefehl gab. Das war das Ende der DDR.


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RE: Vergleich DDR-BRD aus heutiger Sicht!

#150 von Schlawine , 07.04.2008 19:19

Mutterheimat, Wello,
ist es für euch in Ordnung wenn meine Tochter eure Berichte mit in die Schule nimmt ?Die haben das Thema dort gerade.Ist für die Jugendlichen sicher auch interessanter als die trockenen Schulbuchberichte.

Liebe Grüße


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RE:Juden in der DDR
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