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Deutschland im Tiefschlaf - Stephan Hebel

#1 von henry77 , 13.04.2015 19:10

„Deutschland im Tiefschlaf. Wie wir unsere Zukunft verspielen“ - Stephan Hebel

Duell in Samthandschuhen

Buchtipp von Harry Popow


Wenn dein Wecker nicht richtig tickt, dann kaufe einen neuen. Wenn aber die Oberen in der Politik dich übers Ohr hauen und du nichts merkst, dann schlafe ruhig weiter. Einem Wecker gleicht das Buch von Stephan Hebel mit dem Titel „Deutschland im Tiefschlaf. Wie wir unsere Zukunft verspielen“. Stephan Hebel ist seit Jahrzehnten Leitartikler und Kommentator. Er schreibt für die Frankfurter Rundschau sowie für Deutschlandradio, den Freitag, Publik Forum und weitere Medien. Er ist langjähriger FR-Leitartikler und Autor. Er diskutiert regelmäßig im Presseclub der ARD und ist ständiges Mitglied in der Jury für das Unwort des Jahres.

Er geht gleich ins Volle, wenn er angesichts der vielen Risse im Fundament der Gesellschaft, wie ungerechte Verteilung des Volksvermögens, Erosion der Sozialsysteme und Ignoranz der Macht gegenüber dem Volk, Merkels Worte, uns gehe es ja gut, man könne so weitermachen, unter scharfen Beschuss nimmt. (S. 7) Damit verdecke man jene Zustände, die den Stillstand in der Politik deutlich markieren. So nicht nur, wie eben angedeutet, das veraltete Sozialsystem, die ärmere Schichten ausschließende Privatisierung, die übermäßig aufgeblähten Exporte, Fehlentscheidungen beim Klimaschutz und bei der Energiewende, die inkonsequente Einwanderungspolitik sowie nicht zuletzt die „einfallslose“ Außenpolitik – bis hin zum militärischen Aufrüsten. (S. 15-18)

Stephan Hebel konstatiert, dass wir die Augen verschließen „vor der Tatsache, dass die Welt uns verändern wird, wenn wir die Welt nicht verändern“. Und er benennt als Ursache diejenigen, „die keinen Wandel wollen, weil sie vom jetzigen Zustand der Welt profitieren“. Die Übermacht des „Weiter so“ präge das Denken und das Lebensgefühl der Gesellschaft. Und dort, wo sich tatsächliche Veränderungen ergaben, so bei der Kinderbetreuung, beim Mindestlohn u.a, da ende Reformpolitik dort, „wo sie nur mit dem Geld der Privilegierten zu bezahlen wäre“: Keine Steuererhöhungen für die Reichen, keine ausreichenden Investitionen in Bildung, Verkehr oder Pflege u.v.a.m (S.16)

Man frage sich, so der Autor, warum es nicht zum massenhaften Widerstand aus der Gesellschaft komme (statt sinkender Wahlbeteiligung, kaum einflussreiche Protestbewegungen), wenn es mit punktuellen Veränderungen gelinge, die Tatsache zu verschleiern, dass Unternehmen, Vermögende und Spitzenverdiener vor jeder zusätzlichen Belastung etwa durch Steuern bewahrt werden? Er verweist auf die oft unrühmliche Rolle der Medien, ohne sie insgesamt pauschal zu verurteilen. Deren politisch propagierte Geringschätzung des Sozialen, der Vorrang von Konkurrenz und Selbstbehauptung am Markt haben die geneigten Leser zur Abkehr von der Vorstellung „erzogen“, dass es sinnvoll sein könnte, sich um mehr zu kümmern, als die eigenen Angelegenheiten“. Selbst ökonomisch und sozial Ausgegrenzte seien offensichtlich „nicht motiviert, an den Verhältnissen etwas Grundlegendes zu ändern“. (S. 25) So kommt es, dass wir „die Zerstörung solidarischer Vorsorgesysteme wie Renten- und Krankenversicherung widerstandslos hinnehmen.“... Das sei der Selbsterhaltung angepasstes Verhalten. Dem sich zu entziehen hieße, „die Rationalität der Anpassung zu durchschauen“. (S. 26/ 27)

Dies aber wollen und können, wie der Autor nachweist, weder die SPD mit ihren nicht eingehaltenen Wahlversprechen zur Sozialpolitik, noch die Grünen, die sich von einer sozial-ökologischen Reformpartei verabschiedet haben, noch die Linke, die es könnte, aber konkretere Alternativen anbieten müsste. Erst recht nicht ein Joachim Gauk noch die Bundeskanzlerin, die Reformen nur so weit begrüßt, „wie sie mit den Interessen der Unternehmen noch vereinbar sind“. (S.128)

Es gelte, so Stephan Hebel, „den Kapitalismus in seiner heutigen Form zu überwinden“. (S. 20) Er meint, deshalb müsse man nicht sofort das Kanzleramt blockieren, aber es tun auch kleine Schritte, sozusagen ein Spektrum des Widerstandes. Dazu zähle er nicht nur das Beispiel der Erhaltung des Tempelhofer Flughafens, sondern auch die Wiederbelebung von Dorfläden, den Kampf gegen die Privatisierung des Wassers, Wahlentscheidungen, Bürgerbegehren sowie öffentliche Projekte und Volksentscheide und die Proteste gegen TiSA und TTIP. Dabei warnt Stephan Hebel auf Seite 187 vor der Gefahr, „von bestehenden Wirtschafts- und Gesellschaftssystemen einverleibt zu werden“.

Fazit ziehend schreibt er auf Seite 211: „Wenn sich die Initiativen aus der Gesellschaft vermehren und immer besser miteinander verbinden“, … besteht Hoffnung, den Tiefschlaf in Deutschland zu beenden.

Das in einem guten Sprachstil geschriebene Buch gibt reichlich Stoff zum weiteren Nachdenken. So vor allem hinsichtlich der Machbarkeit eines Umbruchs der alles beeinflussenden Macht des großen Kapitals und der Banken. Mit Vernunft und gutem Willen ist da nichts zu deichseln. Auch hat der Autor in diesem Buch nicht ausdrücklich vor den weiteren Gefahren der Schläfrigkeit gewarnt, wie vor neuer militärischer Aufrüstung, vor dem weiteren Vorrücken der NATO gen Osten. Wer glaubt, mit mehr Wachheit z.B. die forcierten Aggressionsbestrebungen der USA gen Russland und China bremsen zu können, dürfte nur in einem weiteren Tiefschlaf seine innere Ruhe finden. Das Duell zwischen OBEN und UNTEN mit einem „Sich-Gegenseitig-Nicht-Wehtun“ geht ohnehin weiter – zur weiteren Täuschung und Verulkung der Völker. Tief schlafen bis es zu spät ist? Die Samthandschuhe sollte man für später aufheben. (PK)

Stephan Hebel: „Deutschland im Tiefschlaf. Wie wir unsere Zukunft verspielen“, Taschenbuch: 240 Seiten, Verlag: Westend (15. September 2014), ISBN-10: 3864890675, ISBN-13: 978-3864890673, Preis: 16,99 Euro

Erstveröffentlichung der Rezension in der Neuen Rheinischen Zeitung

http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=21377&css=print

Mehr über den Rezensenten: http://cleo-schreiber.blogspot.com

Online-Flyer Nr. 500 vom 04.03.2015


cleo-schreiber.blogspot.com

 
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RE: Deutschland im Tiefschlaf - Stephan Hebel

#2 von glatzel , 14.04.2015 08:48

Zitat von henry77 im Beitrag #1
aber es tun auch kleine Schritte, sozusagen ein Spektrum des Widerstandes. Dazu zähle er nicht nur das Beispiel der Erhaltung des Tempelhofer Flughafens


Ja, ein tolles Ergebnis des Volksentscheides. Eine riesige Freifläche ohne Baum und Strauch mitten in der Stadt erstmal paar Jahre ohne irgendein Konzept dort weiter vergammeln lassen, moderate Randbebauung abgelehnt. Das ist ein schwarzer Tag für Berlin: Dringend notwendiger Wohnungsneubau wird verhindert.

Ein typisches Beispiel, dass es Deutschland viel zu gut geht, und es sich diesen hahnebüchenen Unsinn erlauben kann. Kostet den Steuerzahler Hunderte von Millionen. Berlin kann sich das nur erlauben, weil Bayern dies finanziert.

Ein Volksentscheid jagt den nächsten. Jetzt soll es wieder einen Volksentscheid geben. Dass mehr Wohnungen gebaut werden. Da nach dem Volksentscheid zum Tempelhofer Feld dort keine Wohnungen gebaut werden dürfen, müssen andere Bauflächen gefunden werden, auf denen möglichst innerstädtisch und kurzfristig Wohnraum geschaffen werden kann.

Zitat von henry77 im Beitrag #1
Erosion der Sozialsysteme


Erosion der Sozialsysteme gibts nur beim NVA-Propagandisten Harry, er erzählt das, was er schon jahrelang in der NVA-Postille "Volksarmee" servierte. Deutschland gibt fast die Hälfte seines Erwirtschafteten für Soziales aus.


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RE: Deutschland im Tiefschlaf - Stephan Hebel

#3 von delta , 14.04.2015 09:51

Ja henry 77 warum ist das so...
Du brauchst dich doch nur hier im Forum so manchen Disput ansehen, dann weist du, warum sich in der Gesellschaft nichts ändert.
Wer aufbegehrt ist dumm, faul,ungebildet, kennt nur jammern und sonst nichts. Alle wollen was besseres sein als der andere.....
Wer einen Handwerksberuf gelernt hat und nicht dabei ein vermögen verdient ist selber schuld....so der Tenor vieler. Was nicht
sein darf, kann nicht sein. Systematisch hat man die soziale Gesellschaft eliminiert....man presst aus der unteren und mittleren
Schicht raus was nur geht....da werden ganze Dörfer abgegrast dehnen man Umwelt-standards aufdrängt in punkto Modernisierung von
Kanalisationen, Straßensanierungen mit allem drum und dran und das Dorf soll schöner werden mit Wege die keiner braucht aber den
Bürger viel Geld kosten. Dann werden mit diesen Geldern Projekte gefördert die den Bürger wieder Geld kosten.
Solange Politik und Wirtschaft gemeinsam Ihre Schmutzige Geschäfte ungestraft nach gehen können ändert sich das nicht.
das Problem ist, der Bürger wird mit Brot und Spiele ruhig gehalten. Das heißt er bekommt so viel, das er nicht wirklich dazu geneigt
ist aufzubegehren weil er von seinen nächsten Mitbürger entweder mitleidig angesehen wird oder als Jammerer da gestellt wird oder
als Faulenzer....
Ein riesiges Heer ist damit beschäftigt das Volk für dumm zu verkaufen...Politiker aller Couleur bedienen sich auf Steuerzahlerkosten
einschlägiger Forschungs-Institute die der politik ins Maul reden, weil sie von Ihnen bezahlt werden ...bei genaueren Betrachtung zahlt dies
aber nicht der Volksvertreter sondern der Steuerzahler und der will es nicht merken.


wer fehler findet, darf sie behalten, ich habe reichlich davon.

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RE: Deutschland im Tiefschlaf - Stephan Hebel

#4 von henry77 , 14.04.2015 09:58

Hallo delta, endlich mal ein Standpunkt, substanzreich, gedankentief. so nährt er die Kraft, weiter zu denken... Gruß von henry77


cleo-schreiber.blogspot.com

 
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RE: Deutschland im Tiefschlaf - Stephan Hebel

#5 von Gogelmosch , 16.04.2015 16:37

Zitat von glatzel im Beitrag #2
Da nach dem Volksentscheid zum Tempelhofer Feld dort keine Wohnungen gebaut werden dürfen, müssen andere Bauflächen gefunden werden, auf denen möglichst innerstädtisch und kurzfristig Wohnraum geschaffen werden kann.

Mit dem Tempelhofer Feld hat es eine geheime Bewandtnis, aus diesem Grunde darf dort
nicht gebuddelt oder irgend etwas errichtet werden. Geht mal zu Gurgel und gebt:
"haarp berlin tempelhof" ein. Dann lichtet sich das Geheimnis.


Wer sagt: „Hier herrscht Freiheit“, der lügt, denn Freiheit herrscht nicht!

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RE: Deutschland im Tiefschlaf - Stephan Hebel

#6 von neokonservativer , 16.04.2015 16:48

Ist dann der Volksentscheid manipuliert??

 
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RE: Deutschland im Tiefschlaf - Stephan Hebel

#7 von Gogelmosch , 16.04.2015 17:32

Tja, Volksentscheide sind meist für die Katz'. So auch damals in Sachsen und anderswo
zum Thema Eingemeindung. 250000 Unterschriften gegen eine Eingemeindung und trotzdem
wurde das Paket f ü r eine Eingemeindung geschnürt. Auch ein Volksentscheid gegen den
Bau eines neuen Knastes in der Kreisstadt, heute werkelt man rum und man quatschte
die Leute dämlich. In anderen Regionen gibt es bestimmt noch krassere Beispiele. Und
was Tempelhof angeht, lies ruhig mal die Beiträge bei Guggel.


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RE: Deutschland im Tiefschlaf - Stephan Hebel

#8 von altberlin ( gelöscht ) , 16.04.2015 18:30

Thema ?????

Können wir wirksam an der Verbesserung der Gesellschaft arbeiten oder sind bereits alle Messen gesungen ?

Gibt es überhaupt noch Chancen für eine solidarische Gesellschaft oder werden sich die Gegensätze weiter verschärfrn ?


vorwärts immer, rückwärts nimmer
E.H.

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zuletzt bearbeitet 16.04.2015 18:33 | Top

RE: Deutschland im Tiefschlaf - Stephan Hebel

#9 von queeny , 16.04.2015 20:06

Die Gegensätze werden sich verschärfen. Solidarische Gesellschaft hört sich gut an, aber in Wahrheit gibt es sie nicht (mehr). Solidarität wird aus der Not geboren, doch auch die Armen heute müssen nicht in richtiger Not leben, wie die dritte Welt. Not schweißt zusammen, volle Wohlstandsbäuche nicht. Denke, dass die Wohlstandsbäuche nicht bleiben werden. Leider werde ich diese Veränderungen wohl nicht mehr erleben.


Die Sehnsucht reist weit durch's Universum bis in die Unendlichkeit.

 
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zuletzt bearbeitet 16.04.2015 | Top

RE: Deutschland im Tiefschlaf - Stephan Hebel

#10 von Ilrak , 17.04.2015 05:15

Zitat von Gogelmosch im Beitrag #5
Zitat von glatzel im Beitrag #2
Da nach dem Volksentscheid zum Tempelhofer Feld dort keine Wohnungen gebaut werden dürfen, müssen andere Bauflächen gefunden werden, auf denen möglichst innerstädtisch und kurzfristig Wohnraum geschaffen werden kann.

Mit dem Tempelhofer Feld hat es eine geheime Bewandtnis, aus diesem Grunde darf dort
nicht gebuddelt oder irgend etwas errichtet werden. Geht mal zu Gurgel und gebt:
"haarp berlin tempelhof" ein. Dann lichtet sich das Geheimnis.


Das klingt ja so unwahrscheinlich, da muss wohl was dran sein.
Menschenversuche sind ja auch bei unseren Verbündeten nichts Neues.
( Camp King im Taunus z.B. )


Vorbeugen ist besser als nach hinten fallen.

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RE: Deutschland im Tiefschlaf - Stephan Hebel

#11 von Gogelmosch , 17.04.2015 06:40

Liebe Mods, entschuldigt bitte meinen Beitrag in diesem Fred. Könnt ihr ihn bitte
mal woanders hin bugsieren? Danke!


Wer sagt: „Hier herrscht Freiheit“, der lügt, denn Freiheit herrscht nicht!

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RE: Deutschland im Tiefschlaf - Stephan Hebel

#12 von delta , 19.04.2015 11:21

Zitat von queeny im Beitrag #9
Die Gegensätze werden sich verschärfen. Solidarische Gesellschaft hört sich gut an, aber in Wahrheit gibt es sie nicht (mehr). Solidarität wird aus der Not geboren, doch auch die Armen heute müssen nicht in richtiger Not leben, wie die dritte Welt. Not schweißt zusammen, volle Wohlstandsbäuche nicht. Denke, dass die Wohlstandsbäuche nicht bleiben werden. Leider werde ich diese Veränderungen wohl nicht mehr erleben.




....viel mehr braucht man nicht mehr dazu sagen.....


wer fehler findet, darf sie behalten, ich habe reichlich davon.

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