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Bürokratie und Verwaltungswahnsinn

#1 von michaka13 , 06.12.2023 23:51

Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hat den Bundeshaushalt aufgrund des Sondervermögens Klimafond für verfassungswidrig erklärt. Hört sich total dramatisch und höchst kriminell an. Ist es das auch? Eigentlich nicht.

Als Otto-Normalbürger haben wir kaum Einblick in die internen Verwaltungsvorgänge. Wir sehen nur das, was eine Außenwirkung hat. Wenn man aber Einblick in diese internen Verwaltungsvorgänge hat, wenn man weiß wie diese Verwaltung arbeitet, nach welchen wahnsinnig komplizierten und unzähligen Rechtsnormen man handelt, dann erscheint der genannte Vorgang gar nicht mehr so wild.

Natürlich hat eine Verwaltung eine Buchführung wie jedes Privatunternehmen auch. Nur benennen wir einige Dinge anders und haben uns selbst viel strengere Regeln auferlegt, als es die Privatwirtschaft hat. Als Grundsatz der Öffentlichen Verwaltung bei der Planung eines Haushaltes gilt, wir dürfen weder Gewinne, noch Verluste machen. Am Ende des Jahres muss eine schwarze Null stehen. Das kann man natürlich nie und nimmer planen. Wenn eine Kommune (analog Land, Kreis, Bund, usw.) im Oktober/November eines Jahres den Haushaltsplan des kommenden Jahres erstellt, sind Ausgaben und Einnahmen nur Schätzungen. Wer kann schon im November 2022 sagen, wie viel Gewerbesteuer, wie viel Hundesteuer, wie viel sonst was im November 2023 eingeht? Deshalb hat die öffentliche Verwaltung nie eine Null am Ende des Haushaltsjahres stehen. Deshalb hat man sich einen Trick überlegt. Ein privates Unternehmen erstellt eine Schlussbilanz. Daraus folgt dann die Verlust- und Gewinnrechnung. Erst dann weiß man hundertprozentig, was man verdient (oder verloren) hat. Der Öffentliche Dienst macht das genau so. Nur nennen wir das anders. Wir erstellen natürlich ebenfalls eine Schlussbilanz. Aber wir erstellen daraus eine Ergebnisrechnung und weisen dann einen Jahresüberschuss oder einen Jahresfehlbetrag aus. Damit ist unser Haushalt gesetzeskonform. Wir machen genau das Gleiche wie die Privatwirtschaft. Wir benennen es nur anders. Würden wir es Gewinn und Verlust nennen, hätten wir das gleiche Problem wie jetzt der Bund - einen gesetzeswidrigen Haushalt.

Genau das hat unsere Ampelregierung falsch gemacht. Es hätte mehrere Wege gegeben, das Ganze verfassungskonform zu gestalten. Selbst eine Umbenennung und eine Änderung der Buchungszeiträume hätte gereicht, um das ganz legal zu gestalten.

Der einfachste Weg wäre gewesen, man hätte den Bundestag tagen lassen und hätte das Sondervermögen umwidmen können. Das geht. Das macht jede Kommune einige Male im Jahr, das machen die Länder und natürlich auch der Bund. Die 60 Mrd Sondervermögen waren ja zweckgebunden für Corona-Maßnahmen eingeplant. Jetzt sollte dieses Geld für Klimaprojekte genommen werden. Das geht nur, wenn das Parlament das beschließt. Die Regierung darf das nicht. Im Land macht das der Landtag, in der Kommune der Rat, usw. Dazu kommt, handwerklich war dieser Fond mehr als dilettantisch gemacht. Die öffentliche Verwaltung darf keine Mittel außerhalb des Zeitraums eines Haushaltsjahres buchen. Aber auch das hat man gemacht. Im Prinzip hat die Regierung nur gegen die Grundsätze des Kommunalen Finanzmanagements verstoßen. Anders benannt und anders gebucht, wäre alles in Ordnung gewesen. Oder auf gut deutsch, das Bundesfinanzministerium hat echt beschissene Buchhalter!

Ganz blöd ist auch das "Topfsystem", welches wir im öffentlichen Haushalt haben. Ich nenne es Topfsystem, heißt natürlich anders. Das funktioniert so. Im Haushaltsplan bildet man viele Töpfe, in die man Geld stopft. Jeder Topf ist zweckgebunden. Da gibt es einen Topf für Neuanschaffungen KfZ. Ein anderer Topf ist für Anschaffungen BGA (Büro- und Geschäftsausstattung). Natürlich ein Topf für Personalkosten. Ein Topf für Forderungen aus Energie- und Heizkosten. Usw. Für jeden Scheiß gibt es einen eigenen Topf. Aber du kannst niemals ein Jahr im voraus ganz genau wissen, wie viel Geld du im welchem Topf brauchst. Das führt dazu, dass manche Töpfe am Jahresende leer sind und in anderen Töpfen ist noch Geld drin. Du darfst aber nicht einfach Geld aus Topf 1 nehmen und in Topf 2 tun, um dann die entsprechenden Forderungen zu begleichen. Das kann nur der Rat entscheiden, bzw. wenn der nicht tagt oder nicht tagen kann, dann tritt der Haushaltsausschuss an die Stelle des Rates und der entscheidet dann. Ausnahme, man darf bis zu 4.999 € aus einem Topf in den anderen buchen, wenn das Geld innerhalb eines angemessenen Zeitraums zurück in den ursprünglichen Topf gebucht wird. Da mein Frauchen über einige dieser Töpfe wacht, macht sie das jeden Monat. Zum Jahresende funktioniert das aber nicht mehr. Also muss sie den Rat um Umwidmung bitten. Frauchen hat z.B. kein Geld mehr für die Begleichung der Tank- und Reparaturrechnungen für den Fuhrpark. Im Topf für Weiterbildungen sind aber noch über 900.000 €. Davon würde sie gerne 120.000 € für den Fuhrpark nehmen. Also formuliert sie einen Antrag an die Amtsleitung, die gibt das dann an den Rat, damit dieser das gestattet. Da sie über beide Töpfe Verfügungsgewalt hat, könnte sie das auch selbständig tun. Würde dann jedoch genau das gleiche machen, wie es unsere Regierung mit dem Sondervermögen getan hat. Das wäre halt gesetzeswidrig, wie nun jeder weiß.

Diese System führt auch immer wieder zu Verschwendung. Ein Beispiel. Wir haben Ende des Jahres. Mein Diensthandy fällt runter und das Display ist kaputt. Reparatur würde 100 Euro kosten. Aber der Topf für Reparaturen ist leer. Zum Glück ist aber im Topf für Neuanschaffungen noch Geld. Jetzt kann man nicht einfach 100 € aus dem Anschaffungstopf nehmen und die Reparatur bezahlen. Man kanns ja im laufenden Haushaltsjahr nicht mehr zurück zahlen. Gibt ja erst im neuen Jahr wieder frisches Geld. Was tut man also? Man kauft ein neues Handy. Kostenpunkt jetzt 600 €. Aber dafür war ja noch Geld da. 500 € verschwendet, aber alles gesetzeskonform.

Das Geld muss sowieso raus am Jahresende. Jeder hat sicher schon davon gehört. Am Jahresende erwacht so manche Behörde aus ihrem Dornröschenschlaf und haut die Kohle raus, als obs kein morgen mehr gäbe. Denn bleibt Geld übrig, werden die entsprechenden Mittel im kommenden Haushaltsjahr gekürzt. Das will niemand, also gehts auf Shoppingtour. Dämlich - aber gesetzeskonform. Sparen wird in öffentlichen Haushalten eben bestraft.


Gute Nacht,

micha

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RE: Bürokratie und Verwaltungswahnsinn

#2 von Ilrak , 07.12.2023 09:17

Die Töpfe, von denen du sprichst, sind aber meist im Plus, also mit vorhandenen Geld gefüllt.
Bei dem Problem der Bundesregierung geht es aber um "Sondervermögen".
So nennt man heute Schulden.
Eigentlich gut, daß der BGH die Umwidmung verboten hat, das spart neue Schulden.
Man sollte sowieso die Bundesfinanzen einer Hausfrau überlassen. Die gibt nie mehr aus, als sie hat. Auch Zukunftsinvestitionen
( Schulbücher z.B. ) muss sie davon bestreiten.


Die Meinung ist frei.
Doch zur Sicherheit hab ich 'ne Wumme.

( Freygang, "Der bewaffnete Blues" )

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RE: Bürokratie und Verwaltungswahnsinn

#3 von michaka13 , 07.12.2023 14:21

Am Jahresanfang sind diese Töpfe meist gut gefüllt. Das ändert sich aber im Laufe des Jahres. Die meisten sind dann ziemlich leer. Allein um alle Töpfe zu füllen, brauchen wir schon zusätzliches Geld von den Banken. Deshalb sind Bund, Länder und Kommunen verschuldet. In Gesamtsumme mittlerweile mit deutlich über 2 Billionen Euro. Volle Töpfe hat eigentlich immer nur der Bund. Der sitzt ganz oben und greift das meiste ab. Die Länder haben auch noch einiges an Einnahmen. Haben aber schon Probleme. Die Kreise und Kommunen sind die Hungerleider. Als Kommune haben wir nur 2 wichtige Einnahmequellen, die Gewerbesteuer und die Grundsteuer. Das wars. Alles andere kommt unter ferner liefen. Dabei haben wir die meisten Aufgaben. Bund und Länder machen es sich einfach. Die übertragen Aufgaben an die Kommune und wir müssen das dann machen. Das Pass- und Meldewesen z.B. Das ist Bundesrecht. Aber durchführen müssen das die Kommunen. Dafür gibt es dann einen finanziellen Zuschuss oder eine Zuweisung vom Bund und wir müssen sehen, wie wir damit klar kommen. Das Geld vom Bund reicht aber vorne und hinten nicht. Das ist ein reines Zuschussgeschäft für jede Kommune. Oder das neue Wohngeldgesetz. Das hat der Bund mal schnell beschlossen und die Ausführung an die Kommunen übertragen. Die Bundeszuweisungen die es da gibt, decken nicht mal im Ansatz die Kosten. Der Bund beschließt und wir müssen ausführen. Bei uns entstehen die Kosten in der Kommune, aber das interessiert keinen. Wir sind die letzten in der Reihe und die Letzten beißen bekanntlich die Hunde.

Sondervermögen heißt auch nicht zwangsläufig Schulden. Sondervermögen ist im Haushalt ein zweckgebundener Nebenhaushalt. Heißt, der belastet zuerst einmal Deine Bilanzen nicht. Kommunen machen das z.B. oft bei den zusätzlichen Ausgaben für Flüchtlinge aus der Ukraine. Nachteil an der Geschichte. Irgendwann muss dieser Nebenhaushalt, bzw. das Sondervermögen. in den eigentlichen Haushalt überführt werden. Bei uns ist das 2025 so weit. Dann wird der Schuldenstand vieler Kommunen schlagartig nach oben gehen.

Sondervermögen sind per se erst mal nichts negatives. Viele Bürger machen das genau so. Wir nennen das "sparen für einen bestimmten Zweck". Frauchen und ich haben im Prinzip 2 Sondervermögen. Wir haben 2 zusätzliche Tagesgeldkonten, einmal unser Energiekonto und unser Autokonto. Das Autokonto besteht schon ewig. Das Energiekonto seit ca. 2 Jahren. Auf das Autokonto werden pro Monat mindestens 300 € eingezahlt, plus Sonderzahlungen wenn mal Geld übrig ist. Aufs Energiekonto gehen monatlich mindestens 100 €, plus Sonderzahlungen wenn möglich. Dann wird vom Autokonto natürlich ein neues Auto bezahlt. Vom Energiekonto werden Mietnebenkosten und Nachzahlungen beim Stromlieferanten beglichen. Vorteil, steht eine entsprechende Zahlung an, kracht das nicht in die laufenden Ausgaben. Unterschied zwischen unserem und dem Sondervermögen des Bundes ist, unseres ist werthaltig. Die meisten Sondervermögen des Bundes sind kreditfinanziert.

Sondervermögen sind auch nichts neues. Der Bundesrechnungshof listet 29 verschiedene Sondervermögen im Umfang von 869 Mrd Euro auf. 522 Mrd davon sind kreditfinanziert. Die ältesten Sondervermögen stammen noch aus den 50-iger Jahren. Heißt, sehr viele Vorgängerregierungen haben im Prinzip das gleiche gemacht wie die Ampel-Regierung. Die hatten nur bessere Buchhalter und haben das handwerklich besser gemacht als unsere jetzige Regierung.


Viele Grüße,

Micha

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RE: Bürokratie und Verwaltungswahnsinn

#4 von Ilrak , 07.12.2023 19:51

Nicht zu vergessen : die Hundesteuer.
Eine sichere kommunale Einnahme, und in der Höhe beliebig "nachjustierbar".

Und , du erklärst es selbst :
Eure "Sondervermögen" sind eben zweckgebundene Guthaben, und keine Schulden, die vor dem normalen Haushalt versteckt werden sollen.


Die Meinung ist frei.
Doch zur Sicherheit hab ich 'ne Wumme.

( Freygang, "Der bewaffnete Blues" )

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zuletzt bearbeitet 07.12.2023 | Top

RE: Bürokratie und Verwaltungswahnsinn

#5 von michaka13 , 08.12.2023 05:48

Naja, Hundesteuer ist nicht die Welt. Hab mal nachgeschaut. Deutschlandweit worden 2022 insgesamt 414 Mio Euro Hundesteuer eingenommen. Für die einzelne Kommune/den einzelnen Kreis sind das jeweils nur Peanuts. Da gehen auch viele Forderungen ans Forderungsmanagement und in die Vollstreckung. Heißt, da entstehen beim Eintreiben mehr Kosten, als das Ganze am Ende einbringt.

Die Hundesteuer hat eher eine Lenkungsfunktion. Meiner Meinung nach kann man das abschaffen. Aber meine Meinung interessiert halt keinen. Bringt nix und kostet nur. Weder der steuerpflichtige Bürger, noch die Verwaltung hat da etwas davon.


Viele Grüße,

micha

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