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Zukunft des Kapitalismus?

#1 von Quintus ( gelöscht ) , 15.01.2007 20:40

Das Fragezeichen hinter meiner Themenstellung signalisiert schon, daß das Thema auch heißen könnte: „Hat der Kapitalismus eine Zukunft?“
Doch erschien mir diese Frage zu tendenziös, weshalb ich es beim leisen Zweifel beließ. Auf dem Zeitstrang erscheint der Begriff „Zukunft“ sehr dehnbar. Es kann die Zukunft der nächsten sechs Stunden ebenso gemeint sein wie die Zukunft in dreihundert oder mehr Jahren. Für einen einzelnen Menschen ist letztgenannter Zeitraum nicht mehr übersehbar, was unter anderem auch dafür verantwortlich gemacht werden kann, daß wirtschaftliche Entscheidungen selten über einen für den Einzelmenschen überschaubaren Zeitraum hinaus gelten. Manchmal überleben die Entscheidungen nicht einmal den nächsten Tag.

Es überstiege die mir zu Gebote stehenden Mittel, an dieser Stelle die über mehrere Threads verstreute Diskussion zu diesem Thema hier zusammenfassen zu wollen, weshalb ich mich auf zwei Aspekte konzentrieren möchte.
1.Von Iris (?) stammte die Aussage, daß die Wirtschaft doch eigentlich für den Menschen da sein solle und nicht umgekehrt, der Mensch Sklave der Wirtschaft oder der Wirtschaftsform, in der er sich überwiegend bewegt. Diese Aussage möchte ich dankbar aufnehmen.
2.Marx spricht unter anderem von/m Wirtschaft(en) als dem Stoffwechsel des Menschen mit der Natur. Hieran könnte man die moderne Ökologie anknüpfen, indem man fragt, wie denn dieser „Stoffwechsel“ im einzelnen aussieht.
Wie ist nun das menschliche Verhältnis zueinander im Kapitalismus? Nach Marx ist es bestimmt durch die Eigentumsfrage, genauer: die Frage nach dem Eigentum an den Produktionsmitteln. Mittlerweile gilt der personifizierte Kapitalist, der Patriarch, der seinen Betrieb persönlich führt und unternehmerische Initiative zeigt, als Auslaufmodell, auch wenn die Rolle der florierenden mittelständischen Unternehmen hier nicht unterschlagen werden soll; denn selbst diese Unternehmen haben sich zumeist als Gesellschaften mit beschränkter Haftung gegründet, um den unbeschränkten Zugriff potentieller Gläubiger auf das Privatvermögen des/der Gesellschafter im Falle einer möglichen Insolvenz zu verhindern. Jede/r im Betrieb mag wissen, wem letztlich „der Laden“ gehört, doch nach außen wird eine möglichst undurchsichtige Gesellschaftsform gewählt.
90 % der erwerbstätigen bundesdeutschen Bevölkerung befindet sich in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis (in diese Rubrik fallen allerdings auch die Manager/Vorstandsmitglieder/ Geschäftsführer eines Unternehmens). Da wird es schwierig, den genuinen Kapitalisten auszumachen. Hilft nur eine gewisse Abstraktion: es gibt abhängig Beschäftigte, die zugleich auch Kapitalisten sind, weil sie Aktien/Kommanditanteile/stille Teilhaberschaften an Unternehmen besitzen. Es gibt auch „normale“ Arbeitnehmer, die über Fondsanteile indirekt an Unternehmen beteiligt sind. Das ist nicht nur die heute kaum mehr bemühte Formel von der „Vermögensbildung in Arbeitnehmerhand“, sondern auch eine Form der privaten Daseinsvorsorge, weil die halbstaatlichen Institutionen der Daseinsvorsorge ihrer Rolle für den Einzelnen nicht mehr ausreichend gerecht werden (Norbert Blüm: „Die Renten sind sischär“).
Dennoch bleibt das grundlegende Moment des Beschäftigungsverhältnisses das der Ausbeutung, weil es sich um entfremdete Arbeit für eine andere (wirtschaftliche/juristische) Person handelt, welche die Früchte dieser Arbeit (Produkte, Dienstleistungen) zu einem Preis verkauft, der anteilig die Kosten für die Reproduktion der in es/sie investierten Arbeitkraft sowie für das eingesetzte Kapital (Sachkosten + Rendite) übersteigen muß, damit es überhaupt zu dem Angebot des Produkts oder der Dienstleistung kommen kann. Man verzeihe mir die Verkürzungen. Wer tiefer in das Thema einsteigen möchte, sei auf die einschlägigen Bemerkungen Marxens über die Entstehung des Mehrwerts verwiesen.
In einem ausbeuterischen Verhältnis steht „der“ Mensch nicht nur zu seinem „Mitmenschen“ sondern auch zur ihn umgebenden Natur. Das wird nicht nur augenfällig an Hand des gegenwärtigen Streits um den verlängerten Einsatz technisch veralteter und tendenziell gefährlicher Atomkraftwerke, sondern auch in Anbetracht der schwindenden Erdölvorräte (der Begriff „peak oil“ sei hier nur genannt). Eigentlich ist der Rohstoff Erdöl viel zu wertvoll, um ihn in einem Verbrennungsmotor zur Fortbewegung einzusetzen. Dennoch beharrt man auf der scheinbar ins Unendliche steigerbaren Produktion von Pkw mit Otto- und Dieselmotoren, obwohl schon lange bekannt ist, daß – wäre heute jede/r Chinese/in mit einem Pkw versorgt – wir das Haus kaum mehr ohne Sauerstoffmaske verlassen könnten.
Hier sehe ich eine dauerhafte und sehr ernsthafte Herausforderung des kapitalistischen Wirtschaftssystems, das sich zwar in der Vergangenheit als höchst anpassungsfähig gegenüber den Anforderungen veränderter gesellschaftlicher Lagen erwiesen hat, doch sich heute trotz vorhandener Forschungsergebnisse (einigermaßen gesichertes Wissen) erstaunlich wenig darum kümmert, wie es das Leben der leider ja benötigten VerbraucherInnen künftig erhalten könnte.
Leo Kofler, einer der letzten Kathedermarxisten hier im Westen bereits vor der Wende, begegnete dem ökologischen Gedanken stets mit dem Argument, auch der Kapitalist benötige gute Luft und habe schon deshalb ein Interesse daran, umweltverträglicher zu produzieren. Noch erweisen sich große Teile der Industrie als im wesentlichen an ihren kurzfristig erzielbaren Gewinnen interessiert und weniger an der Erhaltung ihrer Produktionsgrundlagen. Ob allein „der Markt“ hier eine Wende wird herbeiführen können, wird auch über das Wohl oder Wehe des kapitalistischen Wirtschaftssystems entscheiden. Noch fehlen entscheidende Schritte in eine andere Richtung.
Natürlich läßt sich entgegnen, daß mit einer nachhaltigeren Wirtschaftsweise keineswegs die Ausbeutung des Menschen durch den Menschen abgeschafft sei, denn immerhin ist denkbar, daß auch dann noch Gewinne erzielt und angestrebt werden. Dem kann ich wenig entgegen halten. Nur wären die dann geänderte Perspektive auf die Natur und die Notwendigkeit, in längeren Zeiträumen und größeren Zusammenhängen zu planen, ein möglicher Anstoß, das Verhältnis von Mensch zu Mensch innerhalb des Stoffwechsels mit der Natur ebenfalls zu überdenken und zu ändern. Wie man das dann nennen möge, ob „Kapitalismus mit menschlichem Antlitz“ (eigentlich ein Widerspruch in sich) oder „Gelehrtenrepublik“ ist wohl keine vorrangige Frage.

Auf eine angeregte Diskussion
freut sich
Quintus


Quintus

RE: Zukunft des Kapitalismus?

#2 von Thor-am-Felsen , 15.01.2007 23:04

Hallo Quintus!

In Antwort auf:
2.Marx spricht unter anderem von/m Wirtschaft(en) als dem Stoffwechsel des Menschen mit der Natur. Hieran könnte man die moderne Ökologie anknüpfen, indem man fragt, wie denn dieser „Stoffwechsel“ im einzelnen aussieht.



Wirtschaft als dem Stoffwechsel des Menschen? Diesem Aspekt habe ich bislang noch nicht gehört. Das würde ja bedeuten, die Ökonomie sei kausal determiniert. Für mich kann das nicht stimmen, schon gar nicht sehe ich die Wirtschaft (und das Wirken des Menschen im allgemeinen) als Ausdruck der Ökologie des Menschen. Das menschl. Handeln ist rational gesteuert und somit bar jeder natürlichen Struktur. Mann, das würde ja bedeuten, wendet man einen Hauptsatz der Ökologie an, das Volterra-Gesetz, dass sich die Population des Menschen in Zeiten knapper Ressource reduzieren MUSS! Eine andere Perspektive ist: Soziale Klassenstrukturen, Milieu, Armut/Reichtum und auch Krieg sind demzufolge doch Natur, der man sich nicht widersetzen kann.

Irgendwo habe ich da einen Knoten in meinen Gedanken. Ich muss erst einmal eine Nacht über diesen satz schlafen.

Liebe Grüße
Torsten

P.S. ich hoffe auch auf ein spannendes Gespräch.


 
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RE: Zukunft des Kapitalismus?

#3 von Quintus ( gelöscht ) , 16.01.2007 00:40

Hallo, Birgit!

Zitat von Knürkse
ist bestimmt ein gutes Thema zum diskutieren,aber für mich zu schwere Kost nach Feierabend



Danke für die Ermutigung. Was nun den Feierabend angeht: Denselben opferte ich gestern abend, um den Beitrag zu schreiben.

Liebe Grüße
Quintus


Quintus

RE: Zukunft des Kapitalismus?

#4 von Quintus ( gelöscht ) , 16.01.2007 00:54

Hallo, Thor!

Vielleicht hätte ich das Zitat besser als solches kennzeichnen sollen, um Deinem Mißverständnis vorzubeugen. Gemeint ist der Stoffwechsel des Menschen mit der Natur, sprich: eingreifende Veränderung, Verarbeitung, Verbrauch der natürlichen Ressourcen.

In Antwort auf:
Eine andere Perspektive ist: Soziale Klassenstrukturen, Milieu, Armut/Reichtum und auch Krieg sind demzufolge doch Natur, der man sich nicht widersetzen kann.


Nein, das alles ist nicht so gemeint. Marx trennt hier sehr genau zwischen erster und zweiter Natur. Unter erster Natur faßt er die Ressourcen, die wir heute so verschwenden wie zu seiner Zeit. Die zweite Natur sind gesellschaftliche, also menschengemachte Phänomene, wie Du sie ansprichst. Sie treten dem einzelnen als Quasi-Natur gegenüber, sind aber lediglich geronnene Tradition, etwas Gewordenes, das kaum noch hinterfragt wird. Hierzu wären auch Menschenbilder wie das des homo oeconomicus' oder der Marketing-Charakter zu zählen. Historisch Gewordenes tritt dem Individuum als Quasi-Natur gegenüber. Der Ideologieverdacht ist bei solch einer Betrachtungsweise immer mitgedacht. Denn was Menschen schaffen, ist steter Veränderung unterworfen. Nur wer kein Interesse an der Veränderung hat, vertritt die Ansicht, das Bestehende sei das Gute, Bewährte und Erhaltenswerte.

Hoffentlich habe ich damit einen Beitrag zum Platzen des Knotens leisten können.

Liebe Grüße
Quintus


Quintus

RE: Zukunft des Kapitalismus?

#5 von Thor-am-Felsen , 16.01.2007 08:47

Hi Quintus!

In Antwort auf:
[...]Marx trennt hier sehr genau zwischen erster und zweiter Natur. Unter erster Natur faßt er die Ressourcen, die wir heute so verschwenden wie zu seiner Zeit. Die zweite Natur sind gesellschaftliche, also menschengemachte Phänomene [...]


Ich glaube die Gesellschaftstheorie von Marx noch zu kennen (obwohl ich mich vor 20 Jahren damit beschäftigt habe (dieses Dekadendenken geht mir mittlerweile arg auf den Senkel (wie gern würde ich noch in Jahren rechnen können: --> 'vor einem Jahr habe ich etwas erlebt', und nicht: 'vor 10 Jahren habe ich etwas erlebt...')))) (Da ist eine Klammer zu viel!). Das ist die Story mit dem Überbau und so. Dennoch finde ich es gefährlich, hier überhaupt mit Ökologie zu argumentieren. Mit biologischen Thesen hat man in Deutschland bis 1945 argumentiert und schlimme Sachen gemacht. Intelligente Menschen können zwischen Theorien Brückenkonstrukte bauen, wo einfach keine Querverbindungen bestehen können. Schon allein die Paarung Ökonomie-Ökologie läßt mich erschauern (was auch so Freizeitökologen machen, die sich z.B. über die 'ökologische Gefahr von Kernkraftwerken' aufregen). Beides hat einfach nicht miteinander zu tun. Ich verstehe Dich, wenn Du von einem MODELL sprichst. Aber Ökologie ist eine Wissenschaft, die definierte Inhalte hat und man kann diesen Begriff nicht als Philosopiemethapher benutzen. Wenn jemand von Ökologie spricht, habe ich als Biologe klare Vorstellungen, weil ich über Jahre damit gearbeitet habe, z.B. ein Lebenwesen in Abhängigkeit von seiner belebten (biozönotischen) und unbelebten (biotopischen) Umwelt: inter- und intraspezifische Konkurrenz, Mutualismus, Symbiose....alles feste Begriffe, deren Inhalte man einfach nicht dehnen kann. Ich wehre mich, diese Begriffe auf künstliche Phänomene des Menschen, wie Wirtschaft, Gesellschaft oder Kultur anzuwenden. Man kann in der Ethologie gewisse natürliche Grundmodi disskutieren: 'die Wirtschaft als Ausdruck des menschlichen Nahrungsverhaltens' aber nicht in Zusammenhang mit der Ökologie. Da bin ich einfach dogmatisch.

Nun, ich berede hier ein Thema, das Du nicht angesprochen hast; wir drohen somit aneinander vorbei zu reden. Ich wollte hier als Einwurf nur die Begriffe mal erläutert haben.

Das Zwischenthema "Begriff Ökologie" will ich damit auch beenden und zwinge mich, trotzdem das Wort Ökologie in Zusammenhang mit Wirtschaft zu dulden.

Liebe Grüße
Torsten

P.S.: Entschuldige bitte, wenn ich Thesen von Dir aus dem Zusammenhang reiße und ganz etwas anderes anspreche als Du gemeint hast; ich erinnere mich an die Person aus Bremerhaven, die sich darüber mächtig aufregte und mich diesbezüglich sehr kritisierte. Aber ich glaube/hoffe, Du nimmst mir das nicht übel und siehst das nicht als Ablenkungsmanöver an.


 
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RE: Zukunft des Kapitalismus?

#6 von Karli ( Gast ) , 16.01.2007 15:13

Das Schlimme am Kapitalismus ist , daß er aus jeder seiner Krisen
gestärkt hervorgeht , indem er während dieser ( ähnlich der Natur )
alles Schwache gnadenlos aussortiert ( Unterschicht , Hartz IV ,
unrentable Unternehmen usw. ). So gesehen ist das Fragezeichen
nicht nötig . Die Frage ist , wie lange das die Menschen aushalten
( wollen , können ). Denn Geld kann man nicht essen.
Zudem kommt das irrwitzige Finanz-System , welches mehr oder weniger
auf Zinserträgen beruht , somit also mit keinem wirklichen Wert hinter-
legt ist . Da ist irgendwann Schluß .
Nur wann -- und wie ?

Karli


Karli

RE: Zukunft des Kapitalismus?

#7 von joesachse , 17.01.2007 22:49

Hallo Quintus,
sehr interessante Frage und Diskussion. Ich sehe ein grundlegendes Problem: Ich kenne keine Theorie, die die Funktion des heutigen Kapitalismus so richtig beschreibt. Sicherlich kommt Marx mit seiner Mehrwerttheorie und den anderen im "Kapital" beschriebenen Theorien grundlegenden Beschreibungen ziemlich nahe. Insbesondere die Beschreibung des Gels-Ware-Geld Zyklus gilt in unserer heutigen Wirtschaft ja noch genau so, auch wenn der Begriff Ware immer mehr dematerialisiert wird, d.h. auch nicht materielle Dinge wie Wissen und Informationen werden zusätzlich zur Arbeitskraft zur Ware und spielen eine entscheidende Rolle.

Das wesentliche Problem dieser kapitalistischen Marktstruktur ist aber die Verteilung der Waren. Das Grundziel, aus Geld mittels Waren noch mehr Geld zu machen führt dazu, dass diese Verteilung absolut inhuman ist. Millionen Menschen verhungern und gleichzeitig werden Lebensmittel vernichtet, oder für deutsche Bauern lohnt es sicht nicht, überhaupt Lebensmittel zu erzeugen. Dies ist nur ein drastisches Beispiel für die Wirkung der Gesetze der kapitalistischen Ökonomie.

Interessant ist es auch, bei Marx mal die Thesen über den Wert der Ware Arbeitskraft nachzuschlagen:
"Was ist der Wert des Arbeitsvermögens/ der Arbeitskraft?
Die Ausbildungskosten des spezifischen Arbeitsvermögens plus die zu dem historischen Zeitpunkt landesüblichen Unterhaltskosten des Arbeitskraftbesitzers plus die Ersatzkosten für den verbrauchten Arbeitskraftbesitzer, also die Aufzuchtkosten seiner Kinder. (Soweit der Arbeitskraftbesitzer die Kosten von Berufsausbildung und Kinderaufzucht üblicherweise selber tragen muss). Der Wert dieser Waren- und Dienstleistungsmenge entspricht dem Wert der Arbeitskraft."
Logisch, dass der Wert der Ware Arbeitskraft in Indien geringer ist als in Deutschland. Logisch aus, dass zur Maximiereung des Gewinns der Wert der Ware Arbeitskraft minimiert werden muss.

Das alles hat aus meiner Sicht keine Zukunft (ohne jetzt über Zeiten reden zu wollen, denn ich sehe keine Alternativen). Allerdings halte ich die Idee von Marx, diese Probleme über gesellschaftliches Eigentum und eine gesellschaftliche Produktion zu lösen, noch nicht für widerlegt. Das Scheitern des "real existierenden Sozialismus" ist dafür noch kein Beweis. Zum Beispiel wurde das Verteilungsprinzip "Jeder nach seinen Fähigkeiten, jedem nach seinen Leistungen" in der DDR nie richtig angewandt. Ich kann mir allerdings nicht vorstellen, wie wir zu einer solchen Gesellschaft kommen können. Allerdings sind Ansätze wie in Frankreich, wo der Staat Eigentümer vieler Produktionsmittel ist, nicht ganz uninteressant. Leider sind die Tendenzen in der EU geradi hin zur puren Marktwirtschaft, was ich für fatal halte.

Im Moment erleben wir gerade das Gegenteil: Die Gesellschaft tut immer weniger für ihre Mitglieder, mit dem Ergenis, dass die Mitglieder immer weniger für die Gesellschaft tun.

Die Frage ist, ob es einen Ausweg aus diesem Dilemma gibt. Der Kapitalismus hat zwei Weltkriege hervorgebracht und auch heute sterben jeden Tag tausende von Menschen für die Gewinnmaximierung des internationalen Kapitals. Politik ist konzentrierte Ökonomie (Lenin), und diese Politik (Israel, USA) überlegt inzwischen, ob nicht Atomwaffen eingesetzt werden sollten, um Interessen durchzusetzen.
Was vor 100 Mill Jahren mit den dem Aussterben der Dinosaurier auf der Erde passierte, kann sich jetzt auf einer höheren Stufe der Evolution wiederholen.
Vielleicht können dann die Überlebenden eine neue Gesellschaftsstruktur aufbauen.

JoeSachse
der diese Diskussion sehr spannend findet, sich aber gleichzeitig etwas überfordert fühlt


 
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RE: Zukunft des Kapitalismus?

#8 von Quintus ( gelöscht ) , 17.01.2007 23:09

Hallo, Joe!

Danke für Deine Stellungnahme! Meine inhaltliche Antwort wird ein wenig auf sich warten lassen - zumindest heute abend werde ich sie nicht mehr verfassen. Dennoch ist mir das Thema wichtig genug, es hier nicht versanden zu lassen.

Eine Anmerkung möchte ich jedoch schon jetzt machen: auch ich habe keine Lösungen, fertigen Rezepte oder dergleichen. Deshalb kann ich Dein Gefühl des Überfordertseins sehr gut nachvollziehen. Doch glaube ich, daß es ein guter Ansatz ist, wenn wir offen diskutieren und mehr Fragen stellen als Antworten geben. Das Forum dient ja dem Austausch von Meinungen und der gegenseitigen Aufklärung. Thor versucht auf seine Art, Begriffsdefinitionen zu liefern, die vom allgemeinen Gebrauch der Worte z.B. in der Presse abweichen. Da es eine alltägliche Erfahrung ist, daß wir häufig meinen, eine gemeinsame Sprache zu sprechen, im konkreten Fall jedoch feststellen dürfen, daß wir Begriffe sehr unterschiedlich aufnehmen, ist das ja kein vergebliches Unterfangen.

Es grüßt
Quintus


Quintus

RE: Zukunft des Kapitalismus?

#9 von lutzi , 18.01.2007 00:26

eine sehr interressante diskussion, wenn ich mich auch teilweise etwas überfordert fühle ihr zu folgen-hab grad heute einen bericht über china gelesen-dann eure euserungen,ich glaub ich sollte den alten karl mal aus dem keller holen und mal wieder drin lesen...kapitalismus-hat der eigentlich eine zukunft, kommunismus-chinesicher art oder real gehabter sozialismus...?was ist denn nun eigentlich das was anstrebbar ist--und keine wissenschaftlichen theorien,eine gesellschaftsodnug die kapital und arbeiter gleichermassen befriedigt,familienfreundlich ist, treibhausgase auf null reduziert,alle religionen in frieden miteinander leben können, niemand mehr verhungern muss, alle lesen und schreiben können und jeder von seiner arbeit leben kann...,iss denn das zuviel verlangt
sind wir,glaub ich, wieder beim alten karl..,aber eine weltrevolution iss wohl nicht zeitgemäss...,oder?

herzlichst,euer lutzi


lutzi  
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RE: Zukunft des Kapitalismus?

#10 von Thor-am-Felsen , 18.01.2007 08:48

In Antwort auf:
Politik ist konzentrierte Ökonomie (Lenin), und diese Politik (Israel, USA) überlegt inzwischen, ob nicht Atomwaffen eingesetzt werden sollten, um Interessen durchzusetzen.
Was vor 100 Mill Jahren mit den dem Aussterben der Dinosaurier auf der Erde passierte, kann sich jetzt auf einer höheren Stufe der Evolution wiederholen.
Vielleicht können dann die Überlebenden eine neue Gesellschaftsstruktur aufbauen.




Es ist doch interessant, dass man bei Diskussionen über Politik stets den Bezug zur Kausalität sucht. Ich finde das gefährlich (s.o.), kann mich aber selbst nicht frei davon machen; Quintus wird sicherlich viele Beiträge von mir finden, wo ich die Motive der menschlichen Handlungsmatrix in Naturgesetzen suche. Wenn dem so ist, dass das menschliche Handeln kausal determiniert ist, können wir dann überhaupt etwas verändern? Ich behaupte dann einfach mal, so rein als provokative These, dass keine Revolution, sei es nun eine radikale, wie Oktober 1917/März 1848 oder sei es eine permanente, etwas bewirkt (womit ich natürlich preisgeben würde, dass ich Marx nicht verstanden habe, denn Marx spricht in seinem historischen Materialismus von der Unwillkürlichkeit (also doch kausalen Notwendigkeit?) einer Revolution). Wir müssen warten, bis die Veränderung von allein kommt. Die Weber in Schlesien haben gezeigt, wie das geht. Vielleicht auch die "Räte" in München. Aber alles andere - Sowjetunion + Vasallen, China, Cuba - das alles war Quatsch. Das konnte/kann nicht funktionieren. Marx spricht vom Kommunismus als Nirvana, als Utopie. Der Sozialismus ist der Weg dahin. Aber wer würde uns sagen, das wir das Ziel erreicht haben?

Vielleicht sollten wir uns wirklich mal Gedanken darüber machen, ob der Sozialismus, aber auch der Kapitalismus irgendwelchen natürlichen Strukturen ausweist. Falls jemand in einer philosophischen Abhandlung zur Essenz kommt, dass es eine Polittheorie gäbe, die Naturgegeben sei, dann könnte man sich eine Fahne nähen und Parolen rufen. Vorher aber kann man gemütlich in seinem Sessel sitzen bleiben und warten, bis sich vor einem irgendetwas verändert. Mit anderen Worten, der Kapitalismus wird sich selbst ad absurdum führen.


T


 
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RE: Zukunft des Kapitalismus?

#11 von Buhli , 18.01.2007 21:08

`So weit weg von der naturgesetzlichen Handlungsmatrix bist Du gar nicht. Es ist doch, spätestens seit Freud bekannt, daß der größte Teil des Handelns, im Unterbewußtsein abläuft. Das Unterbewußtsein wird doch von Instinkten gelenkt. Oder? Das Ziel, die eine oder andere Gesellschaftsordnung erreicht zu haben, wird es so nicht geben können. Schau doch die Welt an. Selbst der Kapitalismus, der schon ca. 200 Jahre existiert, ist in manchen Ländern fast noch im Anfangsstadium (USA) Während er in manchen Europäischen Ländern, dem Sozialismus schon recht nahe ist. Die werden allerdings einige Rückschläge erleben, denn von dem sozialen Lebenskuchen in Europa wollen die, die noch nicht so weit sind, auch noch was haben. Somit ist eine Neuaufteilung, die bereits 1990 begonnen hat, unumgänglich. Die Abschottungsversuche der EU sind der beste Beweis. Das was vor 1990 im Ostblock lief, war ja auch nicht das was Marx mit Sozilismus gemeint hat. Bei solchen Veränderungszyklen, kann man nicht, wie Du schon sagtest, in Lebensdekaden denken. Da werden Visionäre und andere Jule Vernes gebraucht. Manche leben sogar schon im Komunismus. (Jeder nach seinen Bedürfnissen)
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RE: Zukunft des Kapitalismus?

#12 von joesachse , 18.01.2007 22:37

Ich denke, eine entscheidendende Voraussetzung für die Beschreibung der menschlichen Gesellschaft in ihren Formen und Bestandteilen und vielleicht auch für die Gewinnung von Erkenntnissen über die Weiterentwicklung dieser Gesellschaft ist es, zu abstrahieren. Dies fällt mir in diesem Umfeld sehr schwer, weil bei allen Versuchen und Gedanken immer wieder "ABER" auftaucht und mann dann konkrete Dinge findet, die dieser Abstraktion widersprechen oder widersprechen zu scheinen. Ich will mein Problem am Beispiel des Schneefalls beschreiben: Sicherlich fallen nach den Naturgesetzen die Schneeflocken zur Erde und kommen in Summe irgendwann in irgendeiner Form auf der Erde an, die ist die abstrakte Erkenntnis. Aber es ist unmöglich, den Weg einer Schneeflocke zu berechnen. Manchmal bewegen sie sich sogar nach oben, scheinen schwerelos zu sein. Oder Sie landen auf Dächern und Bäumen und Menschen und erreichen die Erde irgendwann in Form von Wasser. Wenn man sich in einem richtig schönen Schneetreiben befindet und vom Flockenwirbel verzaubert wird, übersieht man die abstrakte Realität.
Ich finde kaum so richtig abstrahierte Beschreibungen, Marx ist da sicherlich noch ganz gut, aber dann kenne ich schon kaum weitere Theorien.
Bin für Hinweise und Gedankenansätze dankbar.

Joesachse
der hofft, diesen Flockenwirbel auch in diesem Winter noch zu erleben...


 
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RE: Zukunft des Kapitalismus?

#13 von Quintus ( gelöscht ) , 18.01.2007 23:24

Hallo, Karli!

In Antwort auf:
Das Schlimme am Kapitalismus ist , daß er aus jeder seiner Krisen
gestärkt hervorgeht ,


Bisher sieht es danach aus. Was aber wird geschehen, wenn krasse Fehlentscheidungen zur Regel werden? Der Anspruch, stets rational richtige und für jeden nachvollziehbare Entscheidungen zu treffen, wird doch von den "Nieten in Nadelstreifen" ebenso widerlegt wie die beinahe täglich sich wiederholenden Nachrichten über die zunehmende Korruption im Lande.

Ob die Stärke des Systems sich gerade aus dem Ausschluß ganzer Menschengruppen von der täglichen Reichtumsproduktion speist, möchte ich jedoch in Frage stellen. Denn der soziale Ausschluß ist ja kein Vorzug des Systems, der damit dessen "historischen Sieg" (über den "realexistierenden Sozialismus") rechtfertigte. Daß es einer "industriellen Reservearmee" bedarf, um 1. die Erwerbstätigen mit der Angst vor dem sozialen Abstieg in dieselbe zu disziplinieren und 2. nach Belieben Produkitonsspitzen mit zusätzlichen Arbeitskräften jederzeit bewältigen zu können, ist nun wahrlich keine neue Erkenntnis. Hieran jedoch kann man nicht die spezielle Anpassungsfähigkeit "des" Kapitalismus' an teilweise selbst hervorgebrachte Krisen festmachen. Möglicherweise ist es die höhere Flexibilität der sogenannten mittelständischen Unternehmen, die zur "Rettung" des Kapitalismus den entscheidenden Beitrag leisten, weil sie schneller auf neue Märkte und Produkte reagieren können als die schwerfälligen Tanker international operierender Unternehmen und eben auch als die schwerfällige Staats- und Planungsbürokratie der damaligen RGW-Staaten.

Was nun das ausgegrenzte Drittel der Gesellschaft angeht, teile ich Deinen Optimismus nicht, daß dort so etwas wie ein revolutionäres Potential entstehen möge. Der Aufstand wird wohl unkoordiniert und keineswegs politisch, sondern eher als Bandenkriminalität sich äußern. Die Reichen werden sich hinter hohen Mauern abschotten. Die Armen sich mit Betteln und Wegelagerei über Wasser zu halten suchen. Die Zustände in den USA werden hier nicht nur (halbparodistisch - siehe deutsche Rapper, die allen Ernstes sich als Ghetto-Kids gerieren, obwohl sie nie in einem Ghetto lebten, geschweige, dort aufgewachsen wären) kopiert, sondern zu bitterer Realität. Die "politische" Seite jener (mehr oder weniger kriminalisierten) Unterschicht wird sich in Männerbünden a la "nationale Kameradschaften" oder "Junge Nationaldemokraten" sammeln, um rechtsfreie Regionen untereinander aufzuteilen (Ganglands). Die Gangs werden sich gegenseitig zerfleischen, was wiederum die Herrschenden eines ordnenden Eingriffs entlasten wird... (Diese negative Utopie dürfte den meisten bekannt sein.)

Das selbst zur Ware gewordene Geld, das weder einen Gegenwert in Gold noch in Waren/Dienstleistungen hat, stellt eine weitere Quelle für die mögliche Selbstauflösung des Systems dar. Daß das internationale Finanzsystem noch immer nicht zusammengebrochen ist, liegt an der einfachen Einrichtung der gekauften Zeit: Kredite, die im privaten Bereich längst als notleidend angesehen werden würden, werden schlicht verlängert, aufgestockt und neu auf verschiedene Gläubiger verteilt. So gewinnt der Schuldner/das Schuldnerland jene Zeit, die ihm die "Experten" des IWF gewähren wollen, um für die absolute Marktöffnung zu sorgen, um der Absatz- und Überproduktionskrise der Exportweltmeister entgegenwirken zu können....

Was aber passiert, wenn sich mehrere (Schuldner-)Länder weigern, dieses Spiel weiter mitzuspielen? Eine Antwort auf diese Frage zeichnet sich in Südamerika ab. Ob die USA dort wieder wie damals in Allendes Chile intervenieren werden, werden wir vermutlich auch bald wissen...

In Antwort auf:
Die Frage ist , wie lange das die Menschen aushalten
( wollen , können ). Denn Geld kann man nicht essen.


Das ist auch eine Organisationsfrage - aber nicht nur.

Es grüßt
Quintus


Quintus

RE: Zukunft des Kapitalismus?

#14 von Thor-am-Felsen , 19.01.2007 08:53

Hallo Quintus!

Zwei Thesen (ich erspare mir das zitieren) von Dir möchte ich mal in eigenen Worten zusammenfassen. Du kannst kontrollieren, ob ich sie verstanden habe.
a) Stärkung des Kapitalismus durch deutlichere Trennung der Klassen. Die dadurch entstehenden Probleme (Armut, keine Kaufkraft der Bevölkerung und daher Schwächung der Produktion, etc.) wird durch den flexibleren Mittelstand kompensiert.
b) Die untere Klasse, die Armen also, werden keinen Aufstand proben, weil sie zu unorganisiert sind.
Quintus, habe ich dich richtig verstanden, dass du eine Veränderung der politischen Ideologie (hier: der "westliche" Staat als Pickel des Kapitalismus) bzw. Wirtsschaftsidee nicht für möglich hälst, weil der Mittelstand (SPD: die politische Mitte?) die Gesellschaft und somit den Staat stabil hält und die unteren Stände (blöde Begriffe!) lieber jammern (rappen) als sich politisch zu organisieren, und wenn sie sich politisch organisieren, dann in Fleischwolf-Parteien?

Du hast Recht. Meine Meinung ist, dass nach dem Krieg, also um 1949 Maßnahmen ergriffen wurden, um die politische Agitation nicht nur der Nazis, sondern auch der linken Gruppen zu verhindern. Die Amerikaner haben das früh erkannt. Während die Sowjetunion ihren Teil Deutschlands zunächst ausbluten ließ, haben die Amerikaner, und somit auch die anderen westlichen Alliierten, das Versagen des Versailler Vertrags wohl im Hinterkopf, nicht den Morgenthau-Plan realisiert, sondern den Marshall-Plan in die Tat umgesetzt. Somit erlangte Deutschland bald einen gewissen Wohlstand und keiner wollte seine wiedererworbenen Luxusüter (immerhin haben die meisten nach dem Krieg die absolute Niedertracht erlebt) und vor allem die wiedererlangte Ruhe aufgeben. Nach 1950 wollte keiner an Umwälzungen denken. Es entwickelte sich unter Aufsicht der Alliierten ein System, dass jegliche Aufhebung des Klassensystems und Infragestellung der kapitalistischen Ideen verhinderte (nicht, um die Nazis an einer Reinkanation zu hindern, sondern um die Linken die erforderliche Nahrung zu rauben). Jeder konnte sich ein Häuschen bauen.

Lenin hatte seinerzeit gute Ideen gehabt, als er seinen sozialistischen Schäfchen ein bisschen Eigentum zugestand (wann war das, 1922 glaube ich?). Was danach kam, hat aber dem Kapitalismus erst die nötige Bestätigung, gut zu sein, gegeben. Vorher haben viele Staaten mit dem Sozialismus geliebäugelt. Nach dem Krieg haben die meisten dann eingesehen, dass Wohlstand doch besser ist. Viele Staaten haben ein soziales Netz aufgebaut, das den weniger Erfolgreichen doch ein wenig Wohlstand gewährte. Würde dieses Netz verschwinden (Hartz IV?), würde sich vielleicht wieder soetwas wie revolutionäres Potential entwickeln können. Aber wäre das dann stabil? Wäre das dann nicht eine organisierte Bandenkriminalität: in geschlossener Front die Luxusgüter einkassieren? Eine Revolution, die auf Neid basiert (wie 1917 in Russland) klappt in meinen Augen nicht. Das Motiv der Bolschewiki war nicht Freude am Sozialismus, sondern Raffgier. Warum wurde der Zar ermordet? Weil er böse war oder weil er ein Schloss hatte?

T


 
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RE: Zukunft des Kapitalismus?

#15 von Quintus ( gelöscht ) , 20.01.2007 20:45

Hallo, Joe!

[Joesachse]

In Antwort auf:
Das alles hat aus meiner Sicht keine Zukunft (ohne jetzt über Zeiten reden
zu wollen, denn ich sehe keine Alternativen).


[Quintus]

Jedenfalls scheinen im Augenblick keine Alternativen zu existieren. Was aus dem Gesellschaftsprojekt des Hugo Chavez in Venezuela werden wird, ist jetzt noch nicht absehbar. Wahrscheinlich ist, daß auch eine von der Demokratischen Partei geführte Regierung der USA die Entwicklung eines alternativen Wirtschafts- und Gesellschaftssystems im eigenen Hinterhof, als welcher Südamerika noch immer betrachtet wird, kaum dulden und dessen Ergebnisse abwarten wird. Falls wider Erwarten keine Intervention der USA erfolgen sollte, wäre der in Venezuela eingeschlagene Weg zu einer menschlicheren Gesellschaft mit Interesse zu verfolgen.

Daß ich das gegenwärtige System des Wirtschaftens als in der Tendenz suizidal ansehe, habe ich ja in einem anderen Beitrag schon ausgeführt – wann allerdings dieser Zusammenbruch eintreten wird, wenn nicht vorher systemimmanent gegengesteuert werden kann, läßt sich natürlich nicht vorhersagen. Ich halte es für durchaus wahrscheinlich, daß dergleichen jenseits meiner Lebenszeit passieren wird.

[Joesachse]

In Antwort auf:
Allerdings halte ich die Idee von Marx, diese Probleme über gesellschaftliches Eigentum und eine gesellschaftliche Produktion zu lösen, noch nicht für widerlegt. Das Scheitern des "real existierenden Sozialismus" ist dafür noch kein Beweis. Zum Beispiel wurde das Verteilungsprinzip "Jeder nach seinen Fähigkeiten, jedem nach seinen Leistungen" in der DDR nie richtig angewandt. Ich kann mir allerdings nicht vorstellen, wie wir zu einer solchen Gesellschaft kommen können. Allerdings sind Ansätze wie in Frankreich, wo der Staat Eigentümer vieler Produktionsmittel ist, nicht ganz uninteressant. Leider
sind die Tendenzen in der EU geradi hin zur puren Marktwirtschaft, was ich
für fatal halte.


[Quintus]

Die Frage nach der richtigen Methode, wie das Ziel einer humaneren Gesellschaftsform zu erreichen sei, ist so alt wie es – man verzeihe mir dieses hoch belastete Wort – soziale Utopien gibt. Innerhalb der sozialistischen Bewegung wurde sie lange mit der Führung durch die sozialistische Partei beantwortet. Diese Partei war eine Kaderpartei und zentralistisch – mehr oder weniger – straff organisiert. Innerparteiliche Demokratie gab es nicht, Ansätze zu mehr Pluralität wurden meist mit Parteiausschlüssen und Schlimmerem beantwortet. Das mag mit dem Verhalten großer Organisationen im allgemeinen zusammenhängen, die sich ja durch die Disziplinierung der einzelnen Mitglieder auszeichnen. Selbst die anfangs ach so basisdemokratischen Grünen sind mittlerweile aufgeteilt in Hobby- und Profipolitiker, wobei die Profis klar die Basis der interessierten und engagierten Mitglieder dominieren. Mit anderen Worten: elitäre Zirkel bereiten die Entscheidungen über die politische Richtung und das Parteiprogramm vor und setzen diese in der Regel auch durch. Das Beispiel der Grünen führe ich hier nur an, weil diese sich als basisdemokratisch (mit hoher inhaltlicher Durchlässigkeit und geringen Hierarchieebnen) verstehen bzw. verstanden, nicht weil ich die Grünen als Beispiel für eine sozialistische Partei betrachte. Spätestens nach der Trennung von den sogenannten Ökosozialisten um Rainer Trampert, Jutta Ditfurth u.a. gibt es dort keine nennenswerte antikapitalistische Strömung mehr. Daran hat auch die Vereinigung mit Bündnis 90 nichts geändert.

Was Du über die Umsetzung der Marxschen Utopie sagst, findet meine Zustimmung. Daß der „realexistierende Sozialismus“ die falschen Antworten lieferte, erscheint mir ebenfalls als richtig. Ob Deine Hoffnungen, das französische Modell betreffend, sich erfüllen können, möchte ich bezweifeln, weil ich nicht glaube, daß in den Staatsbetrieben so etwas wie eine erweiterte betriebliche Mitbestimmung existiert, die die Produktionsziele festlegt und die Management-entscheidungen kontrolliert bzw. beeinflußt. Erst wenn es so etwas wie Wirtschaftsdemokratie gäbe, wäre die Basis geschaffen, der elitären Organisation des gesellschaftlichen Lebens entgegen zu treten. Täglich erlebbare Demokratie wäre das wirksamste Mittel gegen Duckmäusertum und Opportunismus. Die Eigentumstitel allein zu ändern, reicht nicht aus.

[Joesachse]

In Antwort auf:
Was vor 100 Mill Jahren mit den dem Aussterben der Dinosaurier auf der
Erde passierte, kann sich jetzt auf einer höheren Stufe der Evolution
wiederholen.
Vielleicht können dann die Überlebenden eine neue Gesellschaftsstruktur
aufbauen.


[Quintus]

Welche Überlebenden?
Reicht es nicht aus, Untergangsszenarien gedanklich vorwegzunehmen?
Letzteres zeichnet doch angeblich die menschliche Gattung vor den Tieren aus, daß sie vernunftbegabt sei. Daß die Gattung dieser Vernunft nicht folgt, ist wohl das, was sie mit den Dinosauriern gemein hat...

Es grüßt
Quintus


Quintus

   

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